KanBan Papierschiffe

KanBan – der Türöffner für Selbstorganisation in übergreifenden Arbeitsprozessen

Seit ein paar Jahren erlebe ich einen gewissen Hype auf agile Methoden – genauso wie auf modern gestaltete Büros und die Möglichkeit im HomeOffice zu arbeiten. Die Sehnsucht der Arbeitswelt auf etwas Neues, etwas Was-es-besser-macht, scheint groß und irgendwie auch En Vogue zu sein. Besonders häufig zu beobachten ist dabei auch die Arbeit mit Teamboards und das egal, ob analog oder vermehrt digital.

In der Regel sind die Boards mit den Spaltenüberschriften toDo (zu erledigen), Doing (in Arbeit) und Done (erledigt) versehen. Oft gepaart mit kreativen Elementen, wie Fotos der Teammitgliedern an den einzelnen Aufgaben, bunten Linien, Emojis oder auch farbigen Hintergründen. Soweit so gut und das Auge isst schließlich mit.

Keine Frage, den Ansatz die Arbeit im Team durch eine Übersicht für alle transparent zu machen finde ich klasse. Es hilft jedem Einzelnen jederzeit einen Gesamtüberblick zur Auslastung des Teams und der anstehenden bzw. laufenden Themen zu bekommen und sich selbstständig informieren zu können. Viele Teams erhoffen sich dadurch mehr Effizient und Effektivität in der Abarbeitung ihrer Aufgaben – aber vor allem weniger getrieben und mehr Herr ihrer Lage zu sein.

Nur was ich auch beobachte ist, dass sich die Spalten toDo und Doing in rasanter Geschwindigkeit füllen und die Spalte Done eher mäßig Zuwachs erhält. Zudem nehme ich die Teams häufig weiterhin als getrieben und eher als Betriebsfeuerwehr wahr. Zwar können sie dank des Boards nun sehen, welche Menge an Themen sie parallel bearbeiten – das nimmt ihnen den Druck und die Überlast aber nicht. Eher im Gegenteil: Durch die Visualisierung verstärkt sich das Gefühl wenig zu leisten und nichts zu Ende bringen zu können. Das Team hat es nun quasi schwarz auf weiß (oder bunt). Ein gutes Beispiel für eine so genannte Verschlimmbesserung.

KanBan kann was!

Warum glaube ich ist die Situation oft so und, was braucht es, damit diese Teams wirklich weiterkommen? Gerne mag ich dir meine Sichtweise auf die Erfolgsfaktoren reingeben. Das bedeutet nicht, dass die Teams, die ich beobachtet habe, all diese Punkte verbessern müssten. Viel mehr soll es eine vollständige Sammlung der Aspekte sein, die für den Erfolg der Methode aus meiner Sicht relevant sind und die ich mit euch teilen mag. Daher seht es gerne wie einen Supermarkt und nehmt euch das mit, was ihr für euren Kontext gebrauchen könnt.

1) Checkt gemeinsam, ob KanBan zu eurer Herausforderung passt!

KanBan eignet sich für die Bearbeitung von komplizierten Aufgabenstellungen und geteilten Arbeitsprozessen. Also Aufgaben, bei denen das Problem und die Lösung zwar nicht trivial aber bekannt sind und damit durch genug Wissen und Experten bearbeitet werden können. Beispiele: Bau eines Logistikzentrums, der Bau oder die Reparatur eines ICEs, oder …
Arbeitet ihr in Kontexten, in denen es um komplexe Aufgabenstellungen geht – also bei denen das Problem und/oder die Lösung noch unklar sind – würde ich eher das erweiterte Framework von Scrum empfehlen, da hier der Fokus mehr auf dem gemeinsamen Erforschen als auf der gemeinsamen Abarbeitung liegt. Auch bei der Arbeit mit Scrum kann eine Teamboard Verwendung finden. Beispiele: Einführung einer neuen Software, Änderungen von Organisationsstrukturen, Aufbau neuer Geschäftsbereiche, oder …

2) Checkt im Team, ob die Aufgaben auch wirklich klein genug sind!

Ja, das meine ich ernst. Denn es bringt euch nicht weiter, wenn ihr zum Beispiel ein gesamtes Projekt als eine Aufgabe definiert. Stattdessen teilt dieses Projekt in die einzelnen Tätigkeiten auf und macht daraus jeweils eine Aufgabe für euer Board. Dadurch generiert ihr einen echten Überblick über die tatsächliche Menge an fachlichen Aufgabenstellungen und könnt diese auf das Team verteilen, im Krankheitsfall einspringen oder gar mögliche Hindernisse in den einzelnen Bearbeitungsschritten erkennen. Überlegt gemeinsam im Team, in welcher Granularität ihr die Aufgaben erfasst.

3) Fokussiert euch mit den Aufgaben auf den Kundennutzen und den Output!

Checkt doch einmal eure Aufgaben. Sind das eher Aufgaben, die euch die Arbeit innerhalb des Teams und/oder der Organisation erleichtern? Oder sind das Aufgaben, die einen wirklichen Output (Ergebnis) und damit einen echten Outcome (Nutzen) für eure Kunden generieren. Diese würde ich immer priorisiert bearbeiten und vor allem zu Ende bringen. Start finishing!

4) Legt je Teammitglied ein Limit für die Spalte Doing fest!

Hierbei handelt es sich um die so genannten WIPs (Work-in-Progress-Limits) aus der KanBan Methode. Dieses Limit legt fest, an wievielen Aufgaben ein Team gleichzeitig arbeiten darf. Meiner Meinung nach der Game Changer, wenn ihr mit der Methode wirklich die Effektivität (die richtigen Dinge tun) und Effizienz (die Dinge richtig tun) erhöhen wollt.

Warum? Weil es wie beim Jonglieren ist. Je nach Kompetenz, Berufserfahrung, persönlicher Entwicklung oder auch den individuellen und kollektiven Rahmenbedingungen, können mehr oder weniger Bälle gleichzeitig in der Luft gehalten werden. Wenn ihr in einem Team mit vergleichbaren Aufgaben und Kompetenzen unterwegs seid, könnt ihr auch ein WIP-Limit festlegen, was für das gesamte Team gilt. Ist das Limit erreicht und es sind noch Kapazitäten frei, dann kann das Team oder der Einzelne die Teamkolleg:innen unterstützen und/oder sich neue Aufgaben schnappen. Es darf also auch mehr sein, wenn die Kapazitäten es zulassen.

Seid mutig und startet einfach mit euren Erfahrungswerten. Denn es heißt ausprobieren, lernen, ausprobieren, lernen, … und euch dadurch immer weiter zu verbessern.

5) Plant auch Zeit für Weiterbildung, Teammeetings, interne Vernetzung, … ein!

Bei der Festlegung von WIPs berücksichtigt bitte auch euren Kontext. Das heißt, wieviel könnt ihr zusätzlich zu (Team)Meetings, interner Vernetzung, Weiterbildung und dem, was für eure individuelle Arbeitsumgebung noch wichtig ist, wirklich schaffen.

6) Haltet euch an das Pull-Prinzip als Türöffner!

Was haben Türen mit KanBan und Teamarbeit zu tun?! Ich finde eine ganze Menge und mag euch auch gern erklären warum. Oftmals haben Türen in öffentliche Gebäuden die Kennzeichnung Push (Drücken) oder Pull (Ziehen).

Stellt euch im Team vor, dass eure Kunden und Stakeholder die Aufgaben und Anforderungen wie ein Geschenkpaket überreichen wollen. Wird die Tür vom Überbringer einfach nur aufgedrückt (Push-Prinzip), können mehrere Situationen entstehen. Zum Beispiel Verletzung durch Kollision, weil auf der anderen Seite jemand die Türe gerade öffnen wollte. Oder es ist schlichtweg niemand da, der das Geschenk in Empfang nehmen kann. Vielleicht es kann dem Überbringer auch passieren, dass jemand gehetzt zur Türe kommt, da er oder sie eigentlich gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist. Eine Situation, die man oft auch aus dem privaten Umfeld kennt. Der Paketzusteller klingelt und eigentlich kocht man gerade, duscht oder steckt mitten in einer Telefonkonferenz. Dann muss man unterbrechen oder ist nur noch mit halbem Ohr und Auge dabei, was die Qualität für die eigentliche Aufgabe mindert und einen unter Druck setzen kann.
Wird die Türe hingegen vom Empfänger eigenständig geöffnet, kann dieser das Paket mit offenen Armen sowie echtem Interesse und Zeit für das Anliegen empfangen. Für den Überbringer kann das bedeuten, dass er eventuell warten oder zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal wiederkommen muss. Dann kann er aber gewiss sein, dass er die volle Aufmerksamkeit bekommt. Dies beschreibt das so genannte Pull-Prinzip.

Übersetzt in die KanBan Methode heißt das, dass sich die Spalte toDo gerne füllen kann. Allerdings entscheidet das Team, wann es welche Aufgabe aus dieser Spalte in das Doing übernimmt.

Dadurch zieht es sich die Aufgaben selbstständig in die Bearbeitung. So wird zwar weniger angefangen, aber der Output erhöht, da durch die fokussierte Bearbeitung die Durchlaufzeiten verringert werden und weniger lang Unfertiges liegen bleibt. Zudem kann die Qualität konstant hoch gehalten werden oder sich sogar noch verbessern. Auch auf das Gefühl des Einzelnen hat diese Art der Aufgabenverteilung eine positive Wirkung, da man das Gefühl von Steuerbarkeit und Selbstwirksamkeit entwickelt.

7) Schaut regelmäßig auf eure Zusammenarbeit und die eingesetzte Methode!

Wie fast alle agile Methoden steht und fällt auch KanBan mit regelmäßigen Reviews und Retrospektiven. Meine Erfahrung nach empfiehlt es sich, dass das Team alle 6-8 Wochen (zum Start sicherlich häufiger) zusammenkommt und auf folgende Fragestellungen schaut:

  • Was haben wir in den letzten Wochen erreicht und wo sehen wir fachlich Optimierungspotentiale für die entsprechenden Arbeitsprozesse? (Review)
  • Wie war die Zusammenarbeit im Team und wie hat uns die KanBan Methode geholfen, wo noch behindert und was wollen wir beibehalten oder verändern? (Retrospektive)

Aus allen gesammelten Ideen könnt ihr im Team z.B. durch Bepunktung oder Ranking die 1-2 Dinge nominieren, die ihr in der nächsten Phase verändern wollt. Stehen diese fest, werden sie als eigene Aufgaben mit in das Board übernommen und zur Bearbeitung aufgegriffen.

Mein Fazit zur KanBan Methode

Du siehst: KanBan kann mehr, als nur ein Board mit 3 Spalten sein. Die Methode kann euch zu einer ressourcenschonenden und zielführenden Teamperformance mit höherem Nutzen für den Kunden verhelfen. Und letztendlich für den Einzelne auch wieder mehr ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kontrolle über die eigene Arbeitsleistung bringen.

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